August Jankowski - Portrait: Bullockbefriending Bard

August Jankowski

„EYES WIDE SHUT“ × 2 = „EYES WIDE OPEN“

Wie Aldous Huxley in seinem Buch „Kunst des Sehens“ gezeigt hat, wird nicht nur durch genaues und aufmerksames Betrachten der Dinge der Blick geschärft und unser Horizont erweitert, sondern sozusagen durch ein ‚Einholen‘ mittels Schließens der Augen, mittels Wimpernschlags oder bartenartigen Aufnehmens, Einschöpfen oder auch Ausschöpfen des Sichtbaren.

August Jankowski über die Zeichnungen

Wenn ich meine Zeichnungen kommentieren wollte, so könnte ich eigentlich immer nur das imaginäre Zwiegespräch fortzusetzen versuchen, welches ich im Zeichnen gewöhnlich mit einem oder mehreren imaginären Gegenüber führe. Diese imaginären Gegenüber, auf die ich mich hier beziehe, sind keine Produkte meiner Phantasie, sondern es handelt sich um wirkliche Personen, meist um Personen aus meinem nähreren Umkreis. So sind meine Zeichnungen oft auf bestimmte Personen ausgerichtet und mit bestimmten Ereignissen verknüpft.

Zyklop – oder Pan
Der einäugige Blick des Zyklopen: Betrachtet man die Dinge nur mit einem Auge, so nimmt alles Flächencharakter an. Das kann dem Maler dabei helfen, sein Motiv auf den Malgrund, auf die Fläche, zu übertragen. Betrachtet er dann aber ein Bild oder eine Abbildung nur mit einem Auge, wird er bemerken, dass die Bildgegenstände plötzlich dreidimensional erscheinen.

Meine imaginären Zwiegespräche aus den RARE Old TIMES haben ausgedient. Sie gehören einer bestimmten Schaffensperiode an. Sie werden sich immer mehr von der „Bildfläche“ – namentlich den Zeichenblättern – entfernen. Die nicht nur in der Realität, sondern auch in meiner Vorstellung immer unemfänglicher und für mich uninteressanter gewordenen imaginären Gegenüber sind von Bord oder über Bord gegangen.

Imaginäre Zwiegespräche drohen zu reinen Selbstgesprächen zu verkommen. Man wird unversehens zu einem Klabautermann, dem sogar seine sturmbewährten Knickerbocker einfach nicht mehr passen wollen.

Wandern in die Weite, Ersteigen einer Höhe beginnt immer mit dem Nächstliegenden.
So verhält es sich ganz genau so mit der Linie, die äußerste Weiten restlos einfängt, so daß Myriaden von Pinselstrichen und Tonwerten sämtlich mit ihr ihren Anfang haben und mit ihr enden. Sie wartet ja nur darauf, daß der Mensch sie packt.
Steht die Richtform für die eine, erste Linie fest, dann entfalten sich alle Dinge.

(Hua Yü Lu I)

Die chinesische und die japanische Kunst behaupten bei mir ihre angestammten Positionen, da sie vieles für mich Unabdingbares beinhalten und in unübertreffbarer Form zur Geltung bringen.

Charakteristisch für Japans einheimische Überlieferung ist die Betonung des erzählerischen Elements in Verbindung mit einem abstrakt-linearen Stil.

(Hugo Münsterberg in Der ferne Osten)

Die Abhandlung Über das Licht in der Malerei von Wolfgang Schöne hat mir Einsichten vermittelt, die sich auf meine praktische Arbeit direkt oder indirekt auswirkt haben. So eröffneten sich mir wichtige Einblicke in das Verhältnis von Licht und Farbe im Bild, aber auch in Sicht auf die von mir in der Realität wahrgenommene Wirklichkeit meiner Motive.

Drei Zitate aus Über das Licht in der Malerei

Wie schwer die Farbe als Phänomen der Kunst greifbar ist im Unterschied zu allem, was in den Bereich der „Formen“ fällt, ist bekannt. Runge macht es schön daran klar, daß er von der Farbe sagt, daß sie „sich zur Form verhält, wie der Ton zum Wort“.

Wer einmal im Sommer in der Provence gewesen ist und etwa auf dem in praller Sonne daliegenden Marktplatz von Arles
gestanden hat, wird wissen, daß die an und für sich unscheinbare Farbe der Häuser, der Bäume, der Laternen und so weiter, faßt sie der aufmerksame Blick nur ins Auge, von der Sonne dort zu genau der gleichen Kraft, dem gleichen Klang, der gleichen Natur aufgeweckt erscheint wie in Van Goghs Bildern.

Unser ganzes Aufnehmen der Natur vollzieht sich offenbar in einem dauernden dialektischen Wechsel von wirklichkeitsentschlossenem und wirklichkeitsverlorenem Blick. Der eine sättigt unsere Vorstellung, der andere unser Herz.
Wirklichkeitsverloren ist der Blick, in dem uns als Kindern die Wunderwelt der Blumenfarben aufgeht, wiklichkeitsverloren aber auch der Blick, in dem wir auf hoher See die Unendlichkeit der See erfahren.

Zwei Auszüge aus Van Gogh en Provence von Jean La Drouaserie

Il faudra un jour écrire le roman du regard des peintres sur le Sud. On verrait que, la plupart du
temps, ce mythe de la rencontre de la lumière et de la Méditerranée ne repose au fond, … .

Seul Signac,
a eu l’honnêteté de refuser la fable: « Dans cette région, il n’y a que du blanc. Les perpétuels reflets lumineux engloutissent toutes les couleurs locales et donnent aux ombres une apparence grise… Le Nord, par contre est coloré ( couleurs locales ), tandis que le Sud et lumineux. » Pour lui, les tableaux de Van Gogh tout « merveilleux » qu’ils fussent, ne restituaient en rien en rien la lumière du Sud.
Normal : ce que Van Gogh était venue chercher a Arles en 1888 c’était le Japon.
[…], depuis sa conversion au japonisme il croit à l’appropriaton de la couleur: celle-ci doit imposer son autonomie pour exprimer le sentiment.

(Jean La Drouaserie, Van Gogh en Provence – Paris, 2008, Editions Hazan)

In den folgenden Zeilen Kafkas glaube ich mich selbst wiederzuerkennen.
Ich wage es deshalb, dieses Zitat, welches ich der Kafka Monografie von Klaus Wagenbach entnommen habe, auf meine bildnerische Denkweise anzuwenden.

Da ich Fichtenwälder liebe, ging ich durch solche Wälder, und da ich gerne stumm zu den Sternen schaue, so gingen mir auf dem Himmel die Sterne langsam auf, wie es ihre Art ist. […] Ziemlich weit meiner Straße gegenüber, wahrscheinlich auch noch durch einen Fluß von mir getrennt, ließ ich einen massig hohen Berg aufstehn. […] Dieser Anblick, wie gewöhnlich er auch sein mag, freute mich so, daß ich als ein kleiner Vogel auf den Ruten dieser fernen Sträucher daran vergaß, den Mond aufgehen zu lassen, der schon hinter dem Berge lag, wahrscheinlich zürnend wegen der Verzögerung.
(Franz Kafka, Beschreibungen eines Kampfes)